Warum dein Schlafzimmer am besten fürs Home Recording geeignet ist

Für eine professionelle Musik-Produktion ist natürlich das Tonstudio der richtige Ort. Doch unbestreitbar ist wohl auch, dass wir in Zeiten leben, in denen man auch schon unter weniger optimalen Bedingungen Aufnahmen von passabler Qualität machen kann – und zwar in den eigenen vier Wänden. Dazu braucht es gewisses Equipment, auf das ich in anderen Beiträgen näher eingehe. Aber genauso wichtig ist es, den richtigen Platz in der eigenen Wohnung zu finden und ihn so herzurichten, dass er dem Equipment gerecht werden kann. Und siehe da: das Schlafzimmer ist hier oft gut geeignet. Warum? Das liest du heute und hier.

Neulich durfte ich für eine mir bekannte Band zwei Songs mixen – eine Arbeit, über die ich mich sehr freute, denn ich schätze ihre Musik sehr. Die einzelnen Spuren waren bei den Bandmitgliedern zuhause aufgenommen und mir anschließend zugeschickt worden. Schon beim ersten Hören fiel mir auf, dass man den Nachhall des Raumes in den Aufnahmen sehr stark hörte. Jeder Raum hat seinen ganz typischen Nachhall und der Nachhall von Privaträumen wie Wohnzimmern ist gut von anderen zu unterscheiden – und er klingt für geübte Ohren oft sehr schnell unprofessionell. Auch andere Merkmale einer Home-Recording-Aufnahme können diesen Eindruck erzeugen, was der Würdigung der hervorragend komponierten und vorgetragenen Musik dann im Wege steht. Deshalb schlage ich folgende Punkte vor, die es bei Home-Recordings zu beachten gilt, damit das Augenmerk voll und ganz auf der Musik selbst liegen kann und nicht auf ablenkenden Klangeigenschaften der Wohnung. Wie immer freue ich mich natürlich über Erfahrungsberichte, falls du selbst schon einmal zuhause aufgenommen hast, oder über Ergänzungen oder Widersprüche, wenn du als Audio Engineer hierher gefunden hast. Also, los geht’s:

1. Die Umgebungslautstärke
Für jede Aufnahme egal welchen Genres und egal, welches Instrument aufgenommen wird, gilt: Eine leise Umgebung ist wichtig. Wer möchte schon die Heizung oder den lauten Computerlüfter hören, wenn gerade eine besonders emotionale, leise Stelle im Song genossen werden soll?
Deshalb solltest du bei der Wahl deines Home-Recording-Raumes darauf achten,
– dass möglichst kein oder wenig Verkehrslärm durch die Fentster dringt
– dass evtl. eine Tageszeit gewählt wird, in der der Verkehr auf der Straße und die Geräusche der Nachbar*innen erfahrungsgemäß sehr gering sind,
– dass Heizungen, Klimaanlagen u. Ä. abschaltbar sind,
– dass möglichst ein Computer mit leisenm Lüfter vorhanden ist,
– dass Mitbewohner*innen informiert werden, dass aufgenommen wird, damit sie Rücksicht nehmen können.

Das Schlafzimmer erfüllt, zumindest was den Verkehrslärm und die abschaltbare Heizung angeht, diese Kriterien meist gut. Also: erster Punkt fürs Schlafzimmer!

2. Geräuschpegel festhalten:
Sollte es in der Wohnung nicht den perfekten, völlig stillen Ort geben, empfehle ich, zu Beginn der Aufnahme ca. 15 Sekunden des übrigen Geräuschpegels aufzunehmen (also ohne ein Instrument zu spielen, zu singen etc.). So kann später, wenn die Aufnahmen vielleicht zum Nachbearbeiten doch zu einem Tonstudio geschickt werden, der Hintergrundgeräuschpegel mit gewisser Software am Computer reduziert oder im Bestfall gar ganz herausgerechnet werden. Da geht heute Einiges im digitalen Zeitalter!

3. Absorbtion und Diffusion:
Wenn du selbst kein Tonstudio hast, so ist dir doch vielleicht schon aufgefallen, dass man in Tonstudios an den Wänden und Decken häufig seltsame kastenförmige Objekte hängen findet. Hierbei handelt es sich um so genannte Absorber und Diffusoren. Ziel dieser Elemente ist es zum einen, direkte Reflexionen möglichst zu minimieren. Darauf kommen wir später noch einmal zurück. Zum anderen ist das Ziel, die Nachhallzeit im Raum zu reduzieren. Gerade bei Pop-Produktionen wird gerne so trocken wie möglich (also mit so wenig hörbarem Hall wie möglich) aufgenommen. Denn einen schönen Raumklang kann man hinterher immernoch sauber am Computer generieren oder nachbilden und ihn vor allem ausgewogen in das gesamte Klangbild einfügen. Gerade diese Kontrolle des ausgewogenen Einbettens hat man aber nicht mehr, wenn man schon Hall auf der Aufnahme hat. Der ist eben dann einfach da – und klingt oft auch nicht sehr schön.
Nun gibt es in privaten Wohnungen natürlich keine Absorber oder Diffusoren an den Wänden. Aber du kannst auf Folgendes achten, wenn du in deiner Wohnung einen geeigneten Home-Recording-Platz suchst, um ähnliche Ergebnisse zu erreichen:

– Im Raum sollten viele weiche, flächige Materialien sein (Tepppiche, Bettdecken, Vorhänge etc.).
– Es sollte möglichst unregelmäßige Oberflächen an den Wänden geben (Bücherregale, Rollos, große Pflanzen, Sessel etc.).
– Für Gesangsaufnahmen kannst du auch einen großen Schrank nutzen, ihn mit Decken und Handtüchern abhängen und das Mikrofon darin positionieren. So baust du dir eine eigene, improvisierte Gesangskabine.

Auch diese Kriterien erfüllt das Schlafzimmer oft hinreichend. Vor allem ist es oft durch die Decken und häufig auch durch Teppichboden sehr trocken (hat sehr wenig Nachhall), was vielleicht erst einmal das Wichtigste bei einer Home-Recording-Aufnahme ist.

4. Der Aufnahmeort im Raum
Hast du deinen geeigneten Raum in der Wohnung ausgemacht, so gilt es noch, zu überlegen, an welchen Ort im Raum du das Mikrofon aufstellen solltest. Wie gesagt lohnt es sich bei Gesangsaufnahmen, eine kleine Gesangskabine zu improvisieren. Ansonsten solltest du Folgendes beachten:

– Stelle das Mikrofon mindestens einen Meter weit von der Wand weg auf. Bist du zu nah an der Wand, kann es zu Druckstau-Effekten kommen. Hierbei werden bestimmte Frequenzen verstärkt, sodass du sie übermäßig stark auf der Aufnahme hören wirst. Bei einem Abstand von einem Meter bist du aber, zumindest was Aufnahmen von menschlichen Stimmen oder Gitarren und vergleichbaren Instrumenten angeht, auf der sicheren Seite. Bei tieferen Instrumenten müsstest du weiter weg gehen.
– Stelle das Mikrofon so hin, dass du nicht senkrecht auf die Wand schaust, sondern am besten in eine Ecke des Raumes. So reflektiert die Wand den Schall nicht direkt zu dir und zum Mikrofon zurück, sondern zerstreut die Reflexionen. Auf diese Weise können die reflektierten Schallwellen sich nicht mit denen überlagern, die von dir oder deinem Instrument direkt ins Mikrofon gehen. Würden sie das tun, könnte es zu so genannten Kammfilter-Effekten kommen, die ebenfalls bestimmte Frequenzen im Gesamtklang verfälschen.
– Wenn du Gesang aufnimmst, gehe möglichst nah an das Mikrofon heran. Ein Abstand von etwa einer Hand breit zwischen deinem Mund und dem Mikrofon ist grundsätzlich eine gute Faustregel. Aber Achtung: Benutze unbedingt einen Pop-Schutz, um starke Plosivlaute (laute „p“s u. Ä.) zu vermeiden. Manchmal ist es auch sinnvoll, sogar zwei Pop-Schutze voreinander aufzustellen.

Mit diesem Wissen gewappnet kann die nächste Home-Recording-Session starten und das Tonstudio, dem du deine Aufnahmen vielleicht zum mixen schickst, hat ein leichteres Spiel bei der Nachbearbeitung. Mehr über Equipment und Software findest du überall im Internet – und bald auch hier auf diesem Blog. Bleib also dabei.

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