Auf den ersten Blick wirkt das heutige Thema vielleicht so, als müsste man darüber gar nicht viele Worte verlieren: Wenn ich bei einem Soundcheck die Lautstärke-Verhältnisse zwischen Instrumenten untereinander und zwischen Gesang und Instrumenten einstellen möchte, dann ist das einzige, auf das ich achten muss, eben, dass alles ausgewogen klingt und alles gut zu hören ist.
Das stimmt auch erst einmal. Aber lass uns doch diese Gelegenheit nutzen, um ein wenig genauer hinzuschauen und zu fragen, wie wir Lautstärke eigentlich empfinden und was das für Lautstärke-Verhältnisse zu bedeuten hat. Wenn du diese Infos vielleicht auch beim Live-Soundcheck nicht unbedingt immer brauchen solltest, bieten sie dir doch ein gutes Hintergrundwissen, das du auch bei eventuellen Arbeiten im Studio sehr gut gebrauchen kannst.
Kolleg*innen, die sich hier schon auskennen, sind natürlich herzlich eingeladen, Ergänzungen oder abweichende Meinungen in den Kommentaren einzuwerfen.
Zunächst einmal was zum angeben auf Tontechnik-Partys. Wir sprechen bei Lautstärken ja oft von „db“ für „Dezibel“. Wir sagen z. B.: xy ist 50 db laut. Eigentlich ist das aber falsch. „Dezibel“ ist eigentlich keine Einheit für ein absolutes Maß – so wie Meter oder Kilogramm. „Dezibel“ beschreibt korrekterweise ein Verhältnismaß. Das bedeutet: Wenn wir sagen, dass etwas 50 db laut ist, sagen wir eigentlich, dass es 50 db lauter ist als etwas anderes. Nur sagen wir nicht, als was denn.
Wollen wir trotzdem db weiterhin als absolutes Maß benutzen, brauchen wir also einen Referenzwert. Und tatsächlich gibt es den: Um Lautstärken in db angeben zu können, wird als Referenz-Wert die Ruhehörschwelle verwendet. Die Ruhehörschwelle ist genau der Wert, ab dem wir ein Geräusch gerade so eben hören können. Sie wird in „Pascal“ angegeben, also in der Einheit des Luftdrucks. Das ist auch logisch, denn Schall ist ja nichts anderes als Bewegung der Luftteilchen, also nichts anderes als Luftdruckveränderung. Wenn wir also sagen wollen, wie laut etwas in db ist, müssten wir eigentlich den Schalldruck der Hörschwelle (2*10^-5 Pa) zum Schalldruck des fraglichen Geräusches in Verhältnis setzen. Das geschieht mit einer Formel, die wir uns für unsere Zwecke hier aber sparen können.
Bei db-Angaben zur Lautstärke, die dir begegnen, ist diese Rechnung immer schon gemacht worden. So kann einfach weiter von z. B. 50 db Lautstärke gesprochen werden – und du weißt jetzt, was dahinter steckt.
Gehen wir jetzt aber etwas mehr in die Praxis: Wie laut wir etwas wahrnehmen, hängt nämlich nicht einfach von der physikalischen Größe des Schalldrucks ab. Es spielen auch andere Faktoren eine Rolle, die etwas damit zu tun haben, wie wir genau Geräusche wahrnehmen. Wichtig zu wissen ist hier: Wir nehmen mittlere Frequenzen (vor allem zwischen 2.000 und 5.000 hz) besonders empfindlich wahr. Bässe und ganz hohe Töne müssen einen wesentlich stärkeren Schalldruck haben, um genauso laut wahrgenommen zu werden wie ein Ton im mittleren Bereich. Dieser Effekt wird schwächer, je lauter wir bspw. die Musik aufdrehen. Das heißt: Je lauter die Musik aufgedreht wird, desto mehr Bässe und Höhen nehmen wir wahr – und umgekehrt.
Übrigens ist diese Eigenschaft unserer Hörwahrnehmung dafür verantwortlich, dass wir Opernsänger*innen auch ohne Mikrofon im ganzen Saal hören können. Klassisch ausgebildete Sänger*innen lernen, den sogenannten ‚Sänger*innenformanten‘, also den Frequenzbereich um 3000 hz, besonders stark in ihren Gesang einzubinden. Unsere Ohren nehmen diesen Frequenzbereich stärker wahr und damit erscheinen uns Opern-Stimmen sehr durchsetzungsstark.
Aber zurück zum Thema: Unsere Lautstärke-Wahrnehmung hängt weiter davon ab, wie lange ein Ton oder Geräusch andauert. Die volle Lautstärke eines Tons oder Geräusches nehmen wir erst ab einer Dauer von 100 ms bis 300 ms wahr. Darunter nehmen wir nicht die volle Lautstärke wahr.
Ein weiterer interessanter Aspekt beim Thema Lautstärke ist der sogenannte Maskierungs-Effekt. Du kennst ihn aus dem Alltag: Wenn du z. B. gerade mit jemandem sprichst und plötzlich fährt ein Krankenwagen mit Martinshorn vorbei, dann hörst du deine*n Gesprächspartner*in nicht mehr, bis der Krankenwagen weit genug weg ist. Genau das ist Maskierung. Sie bedeutet nichts anderes, als dass unsere Hörschwelle für ein bestimmtes Schallereignis steigt, wenn ein anderes Geräusch dazu kommt.
Der Maskierungs-Effekt ist bei Musik vor allem in tiefen Lagen ein Problem, denn hier ist er stärker. Das heißt zum einen, dass er einen größeren Frequenzbereich betrifft, der maskiert werden kann. Zum anderen heißt es, dass es eher geschieht, dass ein tiefer Ton einen höheren verdeckt als ungekehrt.
Außerdem wird der Maskierungs-Effekt stärker, je lauter der entsprechende Maskierer-Ton ist. Das bringt uns zum letzten Punkt des heutigen Beitrags: zur Gesamtlautstärke.
Zunächst mal ganz banal: Wie laut sollte man die Band bei einem Live-Gig eigentlich aufdrehen? Für meinen persönlichen Geschmack werden Bands gerade im semi-professionellen Bereich häufig zu laut aufgedreht. Ich finde das einfach ab einem bestimmten Punkt sehr anstrengend. Andererseits spürt man natürlich erst ab einer bestimmten Lautstärke die Schallwellen (gerade den Bass) auch körperlich, was zu einem Konzert-Erleben vielleicht auch dazugehört. ‚Laut mit Augenmaß‘ ist hier womöglich die richtige Devise.
Ein rein faktisches Problem bei zu laut aufgedrehter PA ist aber der besagte Maskierungs-Effekt. Je lauter ich die Band mache, desto stärker wird er. Deshalb sollte immer schon beim Soundcheck auch die Lautstärke angetestet werden, die am Ende bei dem Konzert eingestellt sein soll. Sonst optimiert der*die Audio Engineer*in womöglich für ein anderes Level an Maskierung und muss dann während des Gigs frequenzmäßig nachregeln – was nicht optimal ist.
Soviel zur Lautstärke. Wie immer freue ich mich über Kommentare sowie Nachfragen!