Ohne zu viel Optimismus wecken zu wollen: Wir dürfen vielleicht langsam hoffen, uns auf das Ende der Corona-Pandemie und damit auf das Wiederaufleben von Konzerten zuzubewegen! Zeit also, dass wir uns weiter mit tontechnischen Themen des Live-Betriebs beschäftigen.
Vielleicht hast du bereits den Artikel zur Bearbeitung von Frequenzen beim Soundcheck gelesen? Vielleicht hast du auch schon geübt, die verschiedenen Frequenzbereiche zu identifizieren? Aber auch falls nicht, kannst du gerne hier weiterlesen, denn für das heutige Thema brauchst du dieses Vorwissen nicht. Heute soll es um die Kompression gehen. Du als Kolleg*in bist natürlich ebenfalls herzlich eingeladen, mitzulesen, und gerne auch Ergänzungen oder andere Meinungen in den Kommentaren beizusteuern!
Wenn du wissen willst, was Kompression ist, verrät dir schon das Wort selbst einen Teil: Kompression oder komprimieren kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt ‚zusammendrücken‘, ‚zusammenpressen‘, ‚verkleinern‘, ‚verdichten‘. Doch was wird hier zusammengedrückt?
Zusammengedrückt wird die Dynamik eines Audiosignals. Das bedeutet im Prinzip, dass der Lautstärke Abstand zwischen dem leisesten und dem lautesten Ton verringert wird. Wie funktioniert das nun und wozu ist das überhaupt wichtig?
Wenn du singst, kann es schnell passieren, dass du zum Beispiel im Refrain eines Songs um ein Vielfaches lauter singst als in der Strophe. Das ist natürlich auch so geplant, denn so machst du den Song lebendig, emotional, leidenschaftlich, abwechslungsreich. Das Problem ist nur: Wie laut soll der*die Audio Engineer*in denn dein Mikrofon einpegeln? Wenn er*sie es so einpegelt, dass deine leisen Töne gut hörbar sind, werden deine lauten Töne übersteuern (laute Störgeräusche werden hörbar, deine Stimme wird verzerrt). Wenn er*sie aber das Mikrofon so einpegelt, dass deine lautesten Töne nicht verzerren, wird das Publikum deine leisesten Töne wohl nicht oder nur sehr schwer hören können. Das bedeutet: die Dynamik des Songs, also der Lautstärke Abstand vom leisesten zum lautesten Ton, ist zu groß.
Nun können wir diesem Problem mit verschiedenen Mitteln begegnen. Einmal kannst – und solltest – du mit der sogenannten Mikrofontechnik arbeiten. Je näher du ans Mikrofon herangehst, desto lauter wird deine Stimme und je weiter du weggehst, desto leiser wird sie. Also solltest du an den lauten Stellen etwas weiter weg vom Mikrofon singen, um die Dynamik des Audiosignals, das am Mikrofon ankommt, von vornherein etwas zu verringern. Da hierbei allerdings nicht nur die Lautstärke deiner Stimme eine Rolle spielt, sondern der Mikrofonabstand auch die Frequenzen verändert, die über den Lautsprecher in deiner Stimme hörbar sind, wird es über dieses Thema noch einen getrennten Artikel geben. Bleib also dran.
Was könnten wir noch tun? Natürlich könnte der*die Tontechniker*in die ganze Zeit über den Lautstärke-Fader auf dem Mischpult im Griff behalten und je nach dem, wie laut du gerade singst, die Lautstärke per Hand anpassen. Das sollte ein*e kompetente*r Tontechniker*in tatsächlich auch tun (bei Studioaufnahmen nennt man den entsprechenden Prozess übrigens Automatisierung). Aber auch hier gibt es Grenzen: Der*die Tontechniker*in muss deine Songs eigentlich schon kennen, um schnell genug reagieren zu können. Und bei zu starken oder schnellen Lautstärkeunterschieden wird das Ganze irgendwann auch sehr aufwändig und vor allem im Zweifel auch hörbar werden.
Was uns an dieser Stelle hilft, ist der Kompressor. Ein Kompressor tut im Prinzip genau das, was der*die Tontechniker*in auch tun würde: Wenn die Lautstärke eines Signals sich über einen bestimmten Schwellenwert hinweg verstärkt (die Threshold), dann beginnt der Kompressor zu arbeiten. Er macht das Signal leiser. Wenn das Signal dann von sich aus wieder unter die Threshold sinkt, hört der Kompressor auf, es noch leiser zu machen – und es kehrt zu seiner originalen Lautstärke zurück. So wird der Lautstärkeabstand zwischen dem leisesten und dem lautesten Ton also verringert, indem alle sehr lauten Töne bis zu einem bestimmten Level leiser gemacht werden und sich sozusagen dem leisesten Ton dadurch annähern.
Zwei Dinge sind nun noch wichtig für dich zu wissen:
Die Threshold hast du nun schon kennen gelernt. Es gibt aber noch weitere Parameter, die sich bei vielen Kompressoren einstellen lassen. Zum Beispiel zieht der Kompressor einen Ton, der über die Threshold geht, nicht im selben Augenblick ganz plötzlich und abrupt herunter. Er beginnt sozusagen, allmählich immer stärker zu arbeiten, bis das eingestellte Maximum an Lautstärkereduktion erreicht ist. Diese Zeit des allmählichen Anstiegs der Lautstärkeverringerung nennt man Attack . Sie wird im Millisekunden-Bereich eingestellt.
Umgekehrt hört der Kompressor auch nicht ganz plötzlich und abrupt auf, zu arbeiten. Die Zeit des allmählichen Schwächer-Werdens der Lautstärkeverringerung nennt man Release. Auch sie wird in Millisekunden eingestellt.
Wie stark ein Kompressor ein Signal leiser macht, das über die Threshold hinaus schießt, hängt von der sogenannten Ratio ab. Sie wird in Verhältnis-Werten eingestellt (zum Beispiel 2:1, 2,5:1, 3:1 usw.). Das funktioniert so:
Angenommen, dein Ton ist um 4 db lauter als die Threshold eingestellt ist. Dann wird im Kompressor als erstes die Differenz zwischen dem fraglichen Ton und der Threshold berechnet – hier wie gesagt 4 db. Nun heißt ein Verhältnis von beispielsweise 4:1, dass nach der Kompression eine Differenz zur Threshold von 4 db nur noch 1 db betragen soll. Das bedeutet, unser 4 db-Signal wird um 3 db abgesenkt.
Bei einer Ratio von 2:1 ist dementsprechend die Rechnung, dass nach der Kompression eine Differenz von 2 db zur Threshold nur noch 1 db betragen soll. Umgerechnet auf unsere 4 db hieße das, dass das Ergebnis-Signal noch 2 db über der Threshold läge, also um 2 db reduziert würde.
Eine Faustformel könnte also lauten:
– Differenz zur Threshold nachher = Differenz zur Threshold vorher / Ratio
– Absänkung = Differenz zur Threshold vorher – Differenz zur Threshold nachher
Puh, bei der Frequenz hatten wir es mit Physik zu tun, jetzt auch noch Mathe. Aber wichtig zu verstehen ist hier: Die Lautstärke deines Tones wird nicht um einen festen Betrag an db abgesenkt. Eine Ratio von 4:1 bedeutet nicht immer, dass dein Ton um 4 db leiser gemacht wird. Es geht um ein Verhältnis, in dem abgesenkt wird.
Noch ein Letztes: Wenn wir die Dynamik eines Songs verringern, dann heißt das in der Konsequenz, dass wir ihn insgesamt lauter machen können, bevor er anfängt zu verzerren. Mehr zu dieser Konsequenz gibt es aber ein anderes Mal – nämlich dann, wenn wir uns mit der Geschichte des sogenannten Lautheit-Krieges befassen.
Wie immer: Nachfragen, Kommentare und Ergänzungen gerne unten posten. Ich freue mich über einen Austausch!